Was fördert die Konzentration beim Lernen?
Hilfreiche Informationen und Tipps, was Eltern und Schüler tun können, um die Konzentration beim Lernen zu verbessern
10 Tipps, wie die Konzentration von Schülern gefördert werden kann
- Die vier Stärken des konzentrierten Lernens
- Bildhaftes Vorstellungsvermögen und optimale Lerntechniken
- Konzentration beim Lernen als dynamischer Prozess
- Gefühle beim Lernen besser wahrnehmen
- Konzentrationstechniken bei körperlichen Engpässen
- Smarter Umgang mit Ablenkungen und Reizüberflutung
- Multitasking möglichst vermeiden
- Bestes Mittel für Konzentration: starke Eigenmotivation
- Effiziente Lernorganisation für bessere Konzentration
- Schüler brauchen ein gutes Lernklima
1. Die vier Stärken des konzentrierten Lernens:
Selbstvertrauen, Selbstwahrnehmung, Selbstwirksamkeitserwartung und Selbststeuerung
Wenn ein Kind kein Selbstvertrauen hat, will es sich selbst nicht wahrnehmen, weil ein Leben ohne Selbstvertrauen weh tut. Ohne sich selbst wahrzunehmen, kann es sich nicht selbst steuern. Es wird zum Spielball innerer und äußerer Kräfte, die seine Steuerung für es übernehmen. Konzentration ist ein Akt der Selbststeuerung, bei dem der gesamte Organismus sich in den Dienst einer Aufgabe stellt, die jetzt, in diesem Augenblick erledigt wird. Bei allem, was ein Mensch tut, entscheidet vor allem seine Konzentration darüber, wie gut ihm dies gelingt. Deshalb sind Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Konzentration so wichtig.
Ein Schüler, der sich für einen längeren Zeitraum auf bestimmte Lerninhalte konzentrieren möchte, verbraucht dabei Konzentrationsenergie. Die Höhe des Verbrauchs hängt vor allem vom Schwierigkeitsgrad der Aufgabe ab und von der Lustmenge, die bei der Erledigung freigesetzt wird. Je mehr sich der Konzentrations-Energietank leert, desto unkonzentrierter wird der Schüler. Die Lerneffizienz sinkt, die Fehlerquote steigt und mit ihr der Frust. Was nun passiert, hängt entscheidend davon ab, wie gut der Schüler sich selbst wahrnehmen kann.
Schüler, die sich gut konzentrieren können, verfügen über eine innere App, auf der sie sich jederzeit über den aktuellen Zustand der eigenen Kräfte informieren können, die über eine hohe oder niedrige Konzentration entscheiden. Sie sind in der Lage, ihre mentale, emotionale und physische Situation jederzeit zu scannen, das heißt, sich selbst wahrzunehmen.
Unerwünschte innere und äußere Ablenkungen, die während des Lernens anklopfen und um Aufmerksamkeit betteln, entgehen dem Schüler ebenso wenig wie Lernblockaden und Prüfungsblockaden oder Denkblockaden, die durch starke Gefühle ausgelöst werden, sowie eine immer flacher werdende Atmung, durch die sich der Sauerstofftank leert und damit auch der Energietank. Die smarte Selbstwahrnehmung flüstert ihnen ins Ohr, wann sie eine Pause machen sollten und wie sie sich dabei schnell regenerieren können. Auf ihrer App werden sie anschließend verbesserte Konzentrationswerte registrieren.
Das für ihr Denken und Handeln entscheidende Wissen beziehen sie weniger aus Lehrbüchern als aus einem fließenden Spürbewusstsein, das es ermöglicht, sich selbst jederzeit so wahrzunehmen, wie man ist, um auf dieser realen Basis optimale Entscheidungen zu treffen. Sie haben gelernt, bei sich zu bleiben und zu registrieren, wenn sie woanders sind, lateinisch: alibi, um dann wieder zu sich zurückkehren zu können. Dies ist eines der besten Mittel, um die Konzentration beim Lernen autonom zu fördern und zu stärken.
Eltern können viel dazu beitragen, dass ihre Kinder früh lernen, sich selbst wahrzunehmen und steuern zu können. Indem sie erkennen, dass ein stabiles Selbstvertrauen zu den vier Kraftquellen zählt, aus denen sich der Fluss des konzentrierten Lernens in jeder Sekunde speist, werden sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um dieses Vertrauen zu stärken. Auf diese Weise helfen sie ihrem Kind, eine starke Selbstwirksamkeitserwartung zu entwickeln, auch Resilienz genannt. Schüler mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung sind eher in der Lage, schwierige und unangenehme Aufgaben zu erledigen, da sie fest daran glauben, die Aufgabe auch bewältigen zu können. Das erklärt, warum sie sich besser konzentrieren können als ihre Mitschüler.
Wenn nun starke Ablenkungsimpulse bei einem Schüler anklopfen, um vorübergehend die Regie für seine Gedanken, inneren Bilder und Handlungen zu übernehmen, dann verfügt er über noch stärkere Instrumente, die es ihm ermöglichen, bei der vorliegenden Sache zu bleiben. Zu den Stärken Selbstvertrauen, Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeitserwartung gesellt sich eine vierte hinzu: die Selbststeuerung. Sie ist die exekutive Instanz, die darüber entscheidet, ob der Schüler die begonnene Aufgabe fortsetzt oder dem Rufen und Winken der „Ablenkungsgespenster“ nachgibt.
Wenn Sie als Eltern ihrem Kind unmittelbar oder über Dritte helfen, diese Stärken zu entwickeln und auszubauen, haben Sie keinen Grund mehr, sich über dessen Zukunft Sorgen zu machen. Sofern Sie von der Bedeutung der vier Stärken des konzentrierten Lernens überzeugt sind, werden Sie – wenn ihr Kind auch noch so viele Fehler macht – den Blick für das, was es gut macht, nicht verlieren. Sie werden der Lösungsebene mehr Aufmerksamkeit schenken als der Problemebene. Und wenn sie Ihr Kind immer öfter voll von Vertrauen und Zuversicht anschauen, wird es spüren, dass es gewollt ist, dass es gut ist und dass es alles kann, was für sein Leben wichtig ist.
2. Bildhaftes Vorstellungsvermögen und optimale Lerntechniken
So checken Sie innerhalb von einer Minute, wie gut das bildhafte Vorstellungsvermögen Ihres Kindes funktioniert.
Lesen Sie Ihrem Kind in einer entspannten Umgebung den folgenden Text vor:
Text:
Ich blicke auf eine Sommerwiese und sehe einen Schmetterling, der über Gras und Blumen flattert.
In alle Richtungen schaukelt ihn der Wind hin und her.
In der strahlenden Mittagssonne schimmern die leuchtenden Farben seiner Flügel.
Plötzlich steuert er gezielt auf eine Blume zu, landet in einer ihrer verführerischen Blüten und beginnt sofort damit, vom Nektar zu saugen.
Nachdem Sie den Text vorgelesen haben, fragen Sie Ihr Kind, wie es die kurze Geschichte wahrgenommen hat.
A nur als Text
B als Bildfolge
C wie ein kleines Video
D als eine Kombination aus Standbildern und bewegten Bildern
Sie können gern auch einen eigenen Text sprechen, der für die Übung geeignet wäre.
Die Antwort A könnte bedeuten, dass Ihr Kind über kein bildhaftes Vorstellungsvermögen verfügt, das heißt von Aphantasie betroffen ist. Um sicherzugehen, sollte man den Test wiederholen, an einem anderen Tag und mit einem anderen Vorleser. Sofern das bildhafte Vorstellungsvermögen nicht therapeutisch behandelt und verbessert werden kann, sollten beim Lernen andere Sinne kompensatorisch eingesetzt werden.
Wenn das innere Auge als Orientierungs- und Speicherinstrument ausfällt, übernehmen die Ohren häufig dessen Job. Beim Lernen von Vokabeln könnte der akustische Lerntyp die zu lernenden Wörter zum Beispiel dreimal hintereinander schnell, laut und deutlich aussprechen. Der haptische Lerntyp sollte sich angewöhnen, sie zum Beispiel dreimal aufzuschreiben.
Für die Qualität der Abspeicherung ist in beiden Fällen jedoch die Konzentrationsstärke zum Zeitpunkt der Einspeicherung von Informationen im Gehirn entscheidend. Ein tiefer entspannter Atemzug unmittelbar vor der Abspeicherung kann hier Wunder wirken.
Bei den Antworten B, C oder D unterscheiden sich die empfehlenswerten Lerntechniken nur graduell. Zur Veranschaulichung eignet sich auch hier das Vokabeln-Lernen, wie das folgende Beispiel zeigt:
In meiner Praxis wird traditionell Tee in Teeschalen serviert. Wenn Schüler sich schwer damit tun, Vokabeln im Fach Französisch zu lernen, demonstriere ich gern, wie man sich die Vokabel boire dans un verre = aus einem Glas trinken leicht einprägen kann. Ich führe eine halb gefüllte Teeschale mit beiden Händen zu Mund und kippe sie beim Leeren so weit nach oben, dass mein halber Kopf dahinter verschwindet. Das sieht dann so aus, als hätte ich nicht aus, sondern in der Teeschale getrunken und genau so lautet die wörtliche Übersetzung von boire dans un ver: in einem Glas trinken.
Der bildhafte Lerntyp dürfte diese Vokabel sein Leben lang nicht vergessen, wenn die Demonstration in einer entspannten Atmosphäre erfolgte. Das gilt für beide Varianten der Abspeicherung, als Bild- wie auch als Videodatei. Wenn ich Schüler Wochen nach der Teeschalen-Demo fragte, wie sie die Szene abgespeichert haben, wird die Bild- häufiger als die Videovariante genannt. Ersteren empfehle ich dann, beim Vokabeln-Lernen die Wörter in eine Bilddatei zu konvertieren und letzteren in einen kurzen Videoclip.
Bei der Teeschalen-Demo reichen Millisekunden aus, um den Vorgang zu veranschaulichen. Entscheidend ist der Faktor Bewegung. Schüler, die die Eigenschaften des visuellen und des kinetischen Lerntyps in sich vereinen, sollten beim Lernen Videodateien verwenden, wann immer das möglich ist. Sobald sie feststellen, dass ihnen das Lernen leichter fällt und besser gelingt, wird sich das auch förderlich auf ihre Konzentration beim Lernen auswirken. Den Begriff kinetischer Lerntyp verwende ich, wenn jemand sich einen Gegenstand der visuellen Wahrnehmung besser merken kann, sofern sich dieser in Bewegung befindet oder als bewegt vorgestellt wird. Ich erwähne dies, weil der Begriff mir in der Psychologie oder Lernpädagogik bisher nicht begegnet ist und deshalb leicht mit dem kinästhetischen Lerntyp verwechselt werden könnte.
Wenn Sie genau wissen wollen, welche Lerntechnik für Ihr Kind die beste ist, dann empfehle ich Ihnen, sich nicht auf Tests und Tipps von Dritten zu verlassen, mich selbst eingeschlossen. Experimentieren Sie mit Ihrem Kind, testen Sie selbst ausgiebig verschiedene Lerntechniken, machen Sie sich Notizen, vergleichen Sie die Ergebnisse, zeigen Sie sie Ihrem Kind und versuchen Sie es davon zu überzeugen, die für es ganz persönlich am besten geeigneten Lerntechniken immer häufiger anzuwenden. So können Sie als Eltern viel dazu beitragen, die Konzentration Ihres Kindes beim Lernen zu stärken.
3. Von der Selbstbeobachtung zur Selbststeuerung:
Das Geheimnis des konzentrierten Schülers
Wenn ich mit Schülern Übungen zur Beobachtung ihrer Gedanken und inneren Bilder durchführe, sind die meisten erstaunt darüber, welche Prozesse in ihren Köpfen ablaufen und vor allem, dass man diese jederzeit beobachten kann, sobald man hinschaut. Natürlich laufen die Prozesse auch dann ab, wenn man nicht hinschaut und können dann ungehindert schalten und walten, wie sie wollen.
Von den dreißig bis sechzigtausend Gedanken, die uns nach Schätzungen von Hirnforschern täglich durch den Kopf gehen, erreichen bzw. überschreiten nur wenige die Schwelle zum Bewusstsein. Bei Übungen zur Gedankenbeobachtung, die bei der Selbstwahrnehmung eine zentrale Rolle spielen, erhöht sich nicht nur die Quote der wahrgenommenen Gedanken, sondern auch deren Qualität. Beim entspannten Liegen öffnet sich das Tor zum Unbewussten und macht uns empfänglich für Informationen, die uns ohne den Beobachtungsstatus nie erreicht hätten.
Je besser ein Schüler die Selbstbeobachtungstechniken beherrscht, desto mehr Probleme werden ihm bewusst aber auch desto mehr Lösungen werden ihm präsentiert. Und er bekommt zunehmend ein besseres Gefühl dafür, welche Entscheidungen ihm in einem größeren Zusammenhang guttun, das heißt auf lange Sicht.
In dem Augenblick, in dem die Entscheidungsmöglichkeiten mit ihren potenziellen Auswirkungen auf unser Leben bewusst wahrgenommen werden, ist bereits der erste Schritt in Richtung Gedankensteuerung getan. Nun haben wir nämlich die Möglichkeit zu entscheiden, welchem Vorgang Jetzt! Priorität eingeräumt wird. Allein reicht dieser Schritt jedoch noch nicht aus.
Erst wenn als zweiter Schritt die Entscheidungsfrage in den Fokus rückt: „To be here, or to be there“ – kann der dritte und letztlich entscheidende Schritt in Angriff genommen werden: Die Umgewichtung der Lust/Unlust-Verteilung, die darüber entscheidet, ob man mit seinen Gedanken dort ist, wo man sich gerade befindet, oder anderswo – lateinisch: alibi. Mehr Informationen und Übungen dazu finden Sie unten unter Punkt 6. a-c. sowie auf meiner Website gewahrsein.net.
Sofern seine physische Verfassung konzentriertes Lernen erschwert oder verhindert, kann der betroffene Schüler sich auch selber helfen, indem er ein Spürbewusstsein entwickelt, das es ihm ermöglicht, seine körperliche Verfassung zu checken und positiv darauf einzuwirken. Ohne dieses Spürbewusstsein müsste er von außen immer wieder daran erinnert werden – eine lästige Sisyphusarbeit, die meist von den Eltern erledigt werden muss.
Von zahlreichen Übungen, die dafür in Betracht kommen, hat sich diese dafür besonders bewährt:
Übung: Mit Spürbewusstsein den eigenen Körper scannen
Der Schüler liegt entspannt auf dem Rücken und konzentriert seine Wahrnehmung etwa fünf Minuten nacheinander auf die Organe Bauch, Herz und Kopf. In einem zweiten Durchgang fokussiert er sein Bewusstsein fünf Minuten lang auf das Organ, das er am intensivsten spüren konnte. Ideal ist, wenn ihn jemand bei seiner Sitzung begleitet und seine Beobachtungen aufschreibt.
Sobald das Kind in der Lage ist, seine Wahrnehmung im Liegen auf einzelne Körperteile zu fokussieren, kann es damit beginnen, sein Spürbewusstsein in bestimmten Situationen auf einzelne Organe auszurichten, die sich nicht gut anfühlen oder sogar weh tun. Um ein bestimmtes Organ oder Körperteil in einen besseren energetischen Zustand zu bringen, begibt sich der Schüler wieder entspannt in die Rückenlage, legt beide Hände auf die betreffende Stelle und macht dabei tiefe, entspannte Atemzüge, bis sich das Organ spürbar besser anfühlt.
Besonders während der Pubertät empfangen Kinder und Jugendliche oft gleichzeitig völlig konträre Impulse.
Da sie diese Impulse weder willentlich herbeiführen, noch steuern können, fühlt es sich für sie manchmal so an, als würden ein Engel und ein Teufel ihnen gleichzeitig etwas ins Ohr flüstern.
Die Kids wissen in solchen Augenblicken nicht, was richtig oder falsch ist. Wenn sie unter Handlungsdruck stehen, ohne zu wissen, was sie tun sollen, verkriechen sich die einen unter der Bettdecke, während die anderen ihre Aggressionen nach außen abreagieren.
Dann müssen schon mal Gegenstände dran glauben, oder andere Menschen werden verletzt, nicht selten diejenigen, die die Kinder am meisten lieben.
Wenn Kinder und Jugendliche ihren inneren Stimmen in einer entspannten Situation Gehör schenken und gleichzeitig auf der mentalen, physischen sowie psychischen Ebene spüren können, was die Handlungsimpulse mit ihnen machen, dann lösen sich die Konflikte innerhalb von Leib und Seele des Betroffenen und müssen nicht mehr aggressiv nach außen abreagiert werden.
Wenn ein Schüler das Spürbewusstsein zu Hause trainiert hat, kann er damit beginnen, es immer öfter auch außer Haus einzusetzen, zum Beispiel wenn er sich in der Schule unwohl fühlt, wenn er seine Freizeit nicht richtig genießen kann, oder wenn er sich im Leistungssport nicht gut motivieren und konzentrieren kann.
4. Gefühle beim Lernen wahrnehmen und einschätzen nach Lust/Unlust
Ohne Gefühle fiele uns das Konzentrieren leichter, doch hätten wir dann überhaupt noch Lust, uns auf irgendetwas zu konzentrieren?
Es gibt viele Methoden, sich seiner Gefühle beim Lernen bewusst zu werden. Die einfachste besteht darin, in einer entspannten Verfassung seine Gedanken und inneren Bilder zu beobachten, zu benennen und dann einzuschätzen, mit wie viel Lust oder Unlust sie verbunden sind. Je nachdem, wie sehr man die eigenen Gefühle differenzieren kann, sollte man dafür eine Skala zwischen minus drei und plus drei oder zwischen minus zehn und plus zehn verwenden.
Die folgende einfache Übung, kann allein oder mit einer vertrauten Person durchgeführt werden, wahlweise auf einem Kissen oder in einer entspannten Rückenlage. Ich empfehle, verschiedene Varianten auszuprobieren und diejenige für Wiederholungen auszuwählen, die am besten funktioniert hat.
Übung: Die eigenen Gedanken und inneren Bilder scannen
In ruhiger Umgebung und einer stressfreien Situation achtet man entspannt darauf, womit sich der eigene Geist gerade beschäftigt. Man sollte dabei nicht aktiv nachdenken, sondern wie eine Antenne einfach nur empfangsbereit sein, für Gedanke und/oder Bilder, die sich von selbst zeigen.
Sobald man Gedanken oder Bilder wahrnimmt, beschreibt man diese – wahlweise laut oder nur innerlich – in Form eines kurzen Kommentars, zum Beispiel: Ich denke gerade an den Kindergeburtstag meiner besten Freundin am nächsten Wochenende. Dann bewertet man die Gedanken/Bilder auf einer Lust/Unlust-Skala von plus 3 bis minus 3.
Falls eine vertraute Person bei der Übung anwesend ist, sollte sie die Stichpunkte und Werte notieren. Trägt man diese Werte in eine Grafik ein, zeigt sich häufig, dass innerhalb weniger Minuten oder Sekunden hohe Plus- und Minuswerte aufeinander folgen.
Wenn man diese Übung über einen Zeitraum von einem halben Jahr ein- oder zweimal im Monat praktiziert, ist man bald in der Lage, seine emotionale Verfassung auch in der Hektik des Alltags zu checken. Man kann sie dann quasi an seinem „Emometer“ ablesen und auf diese Weise mehr Spielraum gewinnen bei Entscheidungen, die spontan getroffenen werden müssen. Wer seine Gefühle ausbalancieren kann, fördert und stärkt damit auch seine Konzentration beim Lernen.
Unter Punkt 6a-c erfahren Sie, wie an konkreten Beispielen, wie dieser Spielraum genutzt werden kann.
5. Konzentrationstechniken bei körperlichen Engpässen
Das körperliche Wohlbefinden ist eine elementare Voraussetzung für gute Leistungen in allen Lebensbereichen. Ohne die weiter unten beschriebenen fünf Basics stoßen sämtliche mentale Techniken für eine bessere Konzentration schnell an ihre Grenzen.
Ich habe Eltern erlebt, die graue Haare bei dem Versuch bekommen haben, ihren Kindern diese Basics beizubringen. Es gibt einen Grund dafür, warum eine so einfach erscheinende Aufgabe sehr schwierig sein kann. Die Kinder atmen nicht absichtlich flach, trinken zu wenig, essen Dinge, die träge machen, bewegen sich zu wenig oder entscheiden sich bewusst für einen schlechten Schlaf.
Sie können Ihren Kindern helfen, ihr Verhalten zu ändern, indem Sie ihnen erklären, was passiert, wenn man die fünf Basics ignoriert. Die folgenden Punkte sind nur wenige Beispiele dafür, wie man die durch das Ignorieren der Basics entstehenden Verluste veranschaulichen kann:
Wer flach atmet, verhält sich wie ein Autofahrer, der immer nur fünf Liter tankt und deshalb den meisten Sprit auf den Wegen zur Tankstelle und zurück verbraucht.
Wer zu wenig isst und trinkt und dann auch noch in schlechter Qualität, verhält sich wie ein Sprinter, der sich freiwillig zwei Eisenkugeln an die Füße bindet, denn im Verhältnis zu seinen Mitschülern hat er Tag für Tag weniger Energie zur Verfügung, das heißt auch weniger Konzentrationsenergie.
Wenn Schüler sich zu wenig bewegen, kann man ihnen mit einem Blutdruckmessgerät leicht demonstrieren, wie dramatisch zum Beispiel drei Stunden ohne Pause am PC den Blutdruck in die Höhe treiben.
Bei Schlafmangel bringen Erklärungen meist nicht viel. Dafür kämen eher Hinweise in Betracht, mit deren Hilfe man besser schlafen kann.
Unter den folgenden Tipps finden Sie Hinweise zu allen fünf Basics.
Damit Schüler bereit sind, Konzentrationstechniken als eine Form von Selbststeuerungstechniken anzunehmen und anzuwenden, sollten sie:
- deren Sinn einsehen
- keine Sorge haben, dass sie sich auf ein Minusgeschäft in puncto Lust einlassen
- unter keinen Umständen von ihren Eltern wegen ihres bisherigen Verhaltens auf die Anklagebank gesetzt werden
- einfache Techniken vermittelt bekommen, wie sie ihr Verhalten dort ändern können, wo es ihnen schadet
Eine kleine Auswahl von Steuerungstechniken, die sich bei vielen Schülern in der Praxis bewährt haben: Die fünf Basics
Tipps, wie Schüler durch eine bewusste Lebensweise ihre Konzentration fördern können
Essen
Will ihr Kind nicht frühstücken, dann stellen Sie mit ihm ein „Kompromissfrühstück“ zusammen, das es ausreichend mag und das ihm ausreichend Nährstoffe für eine gute Konzentration zur Verfügung stellt. Bleiben Sie hartnäckig, wenn das nicht auf Anhieb klappt. Versuchen Sie, durch Beobachtung Zusammenhänge herauszufinden zwischen der Nahrung, die Ihr Kind zu sich nimmt, und seiner Konzentrationsfähigkeit.
Trinken
Sorgen Sie dafür, dass auf dem Schreibtisch Ihres Kindes immer eine Flasche Mineralwasser steht, falls es das nicht mag, zusätzlich eine Falsche von seinem Lieblingsgetränk. Lassen Sie sich eine kleine Belohnung einfallen, wenn es sich schwer damit tut, sein Trinkverhalten zu verbessern. Bringen Sie mit Geduld Ihr Kind dazu, die Flasche Mineralwasser nach einer gewissen Zeit selbst auf den Schreibtisch zu stellen.
Bewegen
Wenn Ihr Kind sich zum Beispiel wegen exzessivem Medienkonsum wenig bewegt, hat schon oft der Deal geholfen, mehr Bewegung = mehr Medienzeit, weniger Bewegung = weniger Medienzeit. Da viele Schüler nach der Schule kaum noch Lust haben, sich ausgiebig zu bewegen, brauchen sie Beweise dafür, dass Bewegung ein starkes Mittel zur Förderung der Konzentration ist. Dabei können Eltern helfen, indem sie eine Relation herstellen zwischen Bewegung und Lerneffizienz. Am besten protokollieren Sie Ihre Beobachtungen, denn die meisten Schüler bewegen sich nur, wenn sie den Selbstbelohnungseffekt spüren.
Schlafen
Wenn Ihr Kind Einschlafprobleme hat, bitten Sie es, die Gedanken stichpunktartig aufzuschreiben, die ihm abends im Bett durch den Kopf gehen. Bleiben Sie hartnäckig, wenn es sich nicht gleich beim ersten Mal darauf einlässt und bieten Sie ihm die Möglichkeit an, ein „X“ einzutragen, bei Gedanken, die es wahrgenommen hat, aber für sich behalten will. Oft ergeben sich daraus Hinweise für positive Veränderungen, die weit über das Einschlafproblem hinausgehen. Ein gesunder Schlaf fördert nicht nur die Konzentration, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden.
Atmen
Bringen Sie Ihrem Kind die natürliche Bauchatmung bei, falls es sie noch nicht beherrscht. Wenn es Lern- oder Prüfungsblockaden hat, erklären Sie ihm den Blockaden-Kreislauf. Dann wird es besser verstehen, warum drei entspannte Atemzüge vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen bewirken, dass sich ein Atembewusstsein entwickelt. Ohne dieses Atembewusstsein würde es gar nicht mitbekommen, wenn seine Atmung stockt und dann auch nicht in der Lage sein, den Steuerhebel in Richtung einer guten Versorgung mit Sauerstoff umzulegen. Sobald ein Schüler den Zusammenhang zwischen seiner Atmung und seiner Konzentrationsfähigkeit verinnerlicht hat, wird er ein starkes Eigeninteresse daran haben, seiner Atmung mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
6. Smarter Umgang mit Ablenkungen und Reizüberflutung
a. Innere Ablenkungsimpulse
Das Bestreben, Lust zu gewinnen und Unlust zu vermeiden, trifft auf Eltern und Kinder gleichermaßen zu. Was langfristig die größere Lust bringt, lehrt uns die Erfahrung. Daran mangelt es den Kindern, und viele Erwachsene vergessen irgendwann, dass sie sich selbst einmal ähnlich „unvernünftig“ verhalten haben wie ihre Kinder. Auch haben viele Eltern vergessen, wie leicht Kinder alles verdrängen können, was mit Unlust verbunden ist.
Stellt man sich eine Waage mit zwei Schalen vor und in der linken die Lust-, in der rechten die Unlust-Gewichte, dann schauen Kinder gewöhnlich nur auf die Lust-Schale, wenn sie einen starken Lustimpuls verspüren. Und genau hier liegt das Problem. Bei ihren Entscheidungen wird die damit verbundene Unlust nicht in die Waagschale geworfen und somit nicht in Rechnung gestellt. Die bloße Wahrnehmung des bis dahin verdrängten Schadens kann die Konzentration beim Lernen bereits stark fördern.
Leider hilft es auch nicht viel, wenn Eltern diesen Job für sie übernehmen. In diesem Punkt sind die meisten Schüler auf beiden Ohren taub. Wo Fremdsteuerung versagt, kann es nur die Selbststeuerung richten. Eine der besten Übungen zur Verbesserung der Selbststeuerung bei Lust-Unlust-Konflikten ist nach meinen Erfahrungen die folgende:
Übung: Selbststeuerung bei Lust-Unlust-Konflikten
Es wird eine Situation ausgewählt, in der der Schüler Ablenkungsimpulsen gefolgt ist, die ihm nach seiner eigenen Einschätzung geschadet haben. Dann lässt er unter Tiefenentspannung die Situation Revue passieren und betrachtet die Waagschalen in dem Zustand, als die Lustimpulse ihn übermannten, während die Schale mit der Unlust noch leer war.
Nun ruft er sich in Erinnerung, welcher Schaden sich im Nachhinein aus seiner Entscheidung ergeben hat und legt die entsprechenden Punkte in die Schale mit den Unlust-Gewichten. Wenn er nun beobachtet, wie sich die Unlust-Schale senkt, während die Lust-Schale sich über die Mitte hinaus nach oben bewegt, dann sieht und fühlt er, welche Entscheidung damals für ihn besser gewesen wäre. Mit Spürbewusstsein und nicht mit paradoxen Appellen können Schüler sich diese, in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Fähigkeit, aneignen.
Der Schüler wird sich nach den ersten Übungen dieser Art in bestimmten Situationen immer noch genauso falsch verhalten wie vorher. Doch wenn er mit der Unterstützung durch eine vertraute Person die Übungen fortsetzt, wird es nicht lange dauern, bis er zum ersten Mal eine Korrektur nicht nur in der Nachbetrachtung, sondern in der Situation selber hinbekommt. Dann besteht berechtigte Hoffnung, dass sich seine Selbststeuerung mit jedem gelungenen Versuch weiter verbessert.
Kinder lieben Dinge, die sie selbst steuern können.
Aus dem Blickwinkel der Lernpädagogik sollten Eltern dieses Bedürfnis eher fördern als ausbremsen, da es das für die Motivation der Kinder so wichtige Gefühl von Selbstwirksamkeit stärkt.
Jedoch sollten Eltern darauf achten, dass ihr Kind nicht einer „Fremdsteuerungssucht“ verfällt, die verhindert, dass es lernt, sich selbst zu steuern.
b. Äußere Ablenkungsimpulse
Äußere Ablenkungsimpulse sind mit der besonderen Problematik verbunden, dass wir sie oft nicht oder nur bedingt vermeiden können. So bleibt einem Schüler nichts anderes übrig, sie nach Möglichkeit zu vermeiden und wo das nicht möglich ist, deren schädlichen Einfluss zu minimieren.
Nicht alle äußeren Ablenkungen sind störend. Manche sind uns sogar sehr willkommen, weil sie uns Abwechslung bei einer mit Unlust verbundenen Tätigkeit bieten. Besonders problematisch sind störende äußere Ablenkungen, die durch Geräusche verursacht werden und die ich hier exemplarisch beschreibe. Vieles davon ist übertragbar auf Ablenkungen durch andere Sinne, wie etwa die visuelle Wahrnehmung.
Bevor man Störgeräusche von innen zu bekämpfen versucht, sollte man alle Mittel ausschöpfen, die äußere Störquelle zu beseitigen oder in ihrer Wirkung einzuschränken. Bei einem hohen Geräuschpegel während des Unterrichts empfehle ich, zunächst die betroffenen Lehrer zu kontaktieren, um gemeinsam nach einer Lösung für das Problem zu suchen. Sollte der Lärmpegel nicht gesenkt werden können, käme der Wechsel auf einen Platz in der ersten Reihe in Betracht. Wenn es auch bei Klassenarbeiten laut ist, können manchmal Ohrstöpsel helfen.
Für den Fall, dass die Lehrer nicht kooperativ sind, wäre es sinnvoll, von dem betroffenen Schüler ein Lärmprotokoll erstellen zu lassen. Er trägt dann während des Unterrichts in eine vorbereitete einfache Grafik alle paar Minuten einen Wert zwischen null und zehn ein. Ergänzend könnte man ein solches Protokoll auch während einer Stunde erstellen, in der es leise in der Klasse ist. Das stärkt Ihre Position als Eltern, falls man sich gegenüber dem Problem von schulischer Seite uneinsichtig zeigen sollte.
Wie Schüler durch Lärm verursachte Konzentrationsstörungen über die Atmung verringern können
Ein solches einfaches Lärmprotokoll kann auch bei den Hausaufgaben helfen, die am meisten störenden Geräuschquellen ausfindig zu machen, um sie wenigstens eindämmen zu können, sofern sie nicht ausgeschaltet werden können. Die Lärm-Karenz-Methode ist deshalb so wichtig, weil Kinder, die besonders geräuschempfindlich sind, kaum Möglichkeiten haben, von sich aus etwas gegen einen akustischen Überfall zu unternehmen, der ihr inneres Territorium feindlich besetzt. Das Vermeiden oder Vermindern von Störeffekten ist manchmal das beste Mittel, um die Konzentration beim Lernen zu fördern.
Es gibt dennoch Möglichkeiten, sich von innen gegen den mit den Geräuschen verbundenen Konzentrationsverlust zu wehren. Die nach meiner Einschätzung wirksamste Methode ist die Einschaltung des wichtigsten Steuerungsinstruments, mit dem wir Einfluss haben auf alle physischen, mentalen und emotionalen Prozesse: die Atmung. Besonders die sensiblen Schüler werden durch Störgeräusche ohnmächtig, im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie können sich weder dagegen wehren, noch der Situation entziehen.
In solchen Momenten ist es hilfreich, wenn sie etwas tun, was sie eh immer tun, mit dem einzigen Unterschied, dass sie es nun willkürlich tun. Indem sie ihre Aufmerksamkeit auf die Atmung lenken, bewusst tief und entspannt ein- und ausatmen, schwächen sie die Macht der akustischen Invasoren. Während sie sich zuvor noch im störenden Draußen verloren hatten, sind sie nun wieder mehr bei sich. Ihr Bewusstsein ist nach innen zentriert und ihr Geist kann sich nun wieder besser konzentrieren.
Diese Zentrierung ermöglicht dann eine Neuausrichtung der Aufmerksamkeit auf ein anderes Draußen, während des Unterrichts, zum Beispiel auf den Sendemast des Lehrers und bei Klassenarbeiten auf die zu lösenden Aufgaben. Wenn Sie Ihrem Kind diesen Tipp mit auf den Weg geben möchten, bedenken Sie bitte, dass ein gewisses Maß von dem in Punkt 6 angesprochenen Atembewusstsein erforderlich ist, um die Technik in den entsprechenden Situationen anwenden zu können.
c. Reizüberflutung
Die meisten Schüler sind leidenschaftliche Entdecker. Wenn sie einen unbekannten Raum betreten, in dem es viele interessante Details zu beobachten gibt, dann empfinden sie ein starkes Bedürfnis, diesen Raum mit ihren Augen zu scannen. Versucht man in solchen Momenten, ihre Aufmerksamkeit auf schwierige Aufgaben zu lenken, die eine hohe Konzentration erfordern, dann fällt es ihnen schwer, sich von den Objekten abzuwenden, auf die ihre natürliche Aufmerksamkeit sich ausgerichtet hat.
Solche Situationen beobachte ich immer wieder, wenn Schüler mich zum ersten Mal in meiner Praxis aufsuchen. Um ihnen diesen Aufmerksamkeitskonflikt zu ersparen, biete ich ihnen zu Beginn des Treffens leichte mentale Kost an, die ihnen das gleichzeitige Sprechen oder Zuhören und das Scannen des Raums ermöglicht.
Später lernen die Schüler – wie unter anderem in Punkt 1 beschrieben – ihre Gedanken und Wahrnehmungen zu beobachten, was ihnen überhaupt erst ermöglicht, einen solchen Aufmerksamkeitskonflikt zu bemerken. Um ihn schließlich aufzulösen, könnte im Prinzip die von mir unter 6.a beschriebene Waagschalen-Methode helfen. Doch in diesem Beispiel wäre sie ungeeignet, da sie voraussetzen würde, dass man sich für eine Weile aus der Kommunikation ausklinken könnte, um in Ruhe eine komplexe Lust-Unlust-Abwägung vorzunehmen. Für Situationen wie diese gibt es bessere Methoden zur Konzentrationsförderung, von denen ich eine kurz vorstelle:
Konzentrationsübung zur Auflösung von Aufmerksamkeitskonflikten
Sobald der Schüler den Aufmerksamkeitskonflikt registriert hat, stellt er sich zwei Sprechblasen vor, wie man sie aus Comics kennt. In diesen Blasen platziert er einen kurzen Text und/oder ein Bild. Auf den beschriebenen Konflikt bezogen schreibt er in die erste Blase „Raum entdecken“ und die zweite „Gespräch“ oder „Übung“. Alternativ kann er sich auch in der ersten Blase den Raum als Bild vorstellen und in der zweiten die am Gespräch bzw. der Übung beteiligten Personen.
Dieser einfache Trick kann den Schülern dabei helfen, ihre Aufmerksamkeit besser zu steuern. Während sie im Fluss des Geschehens schnell den Überblick und die Kontrolle verlieren, bieten die beiden Standbilder mit Text oder Bildinhalt jederzeit die Möglichkeit, zwischen beiden hin und her zu switchen, eins von beiden auszublenden oder – falls sie das können – Multitasking zu betreiben.
Diese auf den ersten Blick einfach erscheinende Methode erweist sich in der Praxis oft als schwierig und sollte deshalb in banalen Alltagssituationen eingeübt werden, bevor sie in komplexen und kritischen Momenten zum Einsatz kommt.
7. Multitasking vermeiden, sofern man kein Konzentrationskünstler ist
Der beste Umgang mit Multitasking besteht nach meiner Einschätzung darin, es überall zu vermeiden, wo das möglich ist. Da es jedoch Situationen im Alltag gibt, in denen man gezwungen wird, zwei oder mehrere Tätigkeiten gleichzeitig zu verrichten, die jeweils höchste Konzentration erfordern, brauchen die Schüler Tipps, die ihnen das Multitasking erleichtern. Zunächst möchte ich ein Beispiel beschreiben, bei dem es sich um unsinniges Multitasking handelt.
Den klassischen Fall eines misslingenden Multitasking erleben viele Eltern, wenn sie ihre Kinder bei den Hausaufgaben begleiten oder beobachten. Manchen Schülern gelingt es, sich nachmittags stundenlang mit schulischem Lernen zu beschäftigen, das sie mit konzentriertem Arbeiten in weniger als einer Stunde hätten erledigen können.
Dabei versuchen sie zwei Dinge gleichzeitig zu tun: ihre Hausaufgaben zu erledigen und alles Mögliche zu unternehmen, um sich selbst daran zu hindern. Die tausend Wege, die sie finden, um ihre Lernzeiten mit inneren Abschweifungen und äußeren Handlungen künstlich in die Länge zu ziehen, sind hinlänglich bekannt. Viele Schüler verbringen kostbare Lebenszeit im Niemandsland zwischen konzentriertem Lernen und lustvoller Freizeit, in der sie machen können, was sie wollen.
Den ersten Schritt, um eine solche Zeitvergeudung zu vermeiden, habe ich bereits unter Punkt 1 beschrieben. Über eine gute Selbstwahrnehmung können sie rechtzeitig bemerken, wenn eine Multitasking-Situation auf sie zukommt oder sie sich bereits darin befinden.
Der zweite Schritt ist in dem Augenblick getan, in dem der Schüler einsieht, dass er sich mit der langen Zeit, die er im Niemandsland verbringt, vor allem selber schadet.
Der dritte Schritt ist ebenfalls einfach, erfordert jedoch viel Geduld bei der Umstellung des nachmittäglichen Lernens einerseits und freien Genießens andererseits von Multitasking auf Unitasking. Man darf nicht erwarten, dass sich das Problem durch die neue Erkenntnis von selbst erledigt. Die meisten Schüler brauchen Monate, bis sie ihre Zeit im Niemandsland auch nur halbieren können und weitere Monate, bis sie bei zwanzig Prozent liegt. Weniger sollte es nicht sein, weil ein gewisses Maß an Ablenkungen dabei hilft, sich über einen längeren Zeitraum konzentrieren zu können.
Wichtig ist, dass die Eltern bei der Umstellung mitspielen. Manche machen den Fehler, dass sie bei ihren Kindern mehr auf die Zeit schauen, die sie weiterhin im Niemandsland verbringen, als auf die Fortschritte, die sie machen, seien diese auch noch so klein. Es erweist sich als fatal, wenn die Eltern trotz einer höheren Lerneffizienz von ihren Kindern erwarten, dass sie genauso lange lernen sollen wie vorher, „weil es ja noch so viele Defizite aufzuarbeiten gibt“ usw.
Je stärker ein Schüler fühlen und empfinden kann, desto zahlreicher und intensiver sind die Ablenkungsimpulse, die in seinem Innern um Aufmerksamkeit ringen. Dann fällt es bereits schwer genug, sich auch nur auf eine einzige Aufgabe zu konzentrieren und Multitasking multipliziert die Überforderung noch zusätzlich. Besonders sensible Schüler neigen oft zum Multitasking, obwohl es das Konzentrieren eher verhindert als fördert. Falls Sie den Eindruck haben, dass dies auf Ihr Kind zutrifft, könnten die Informationen und Tipps auf der Unterseite Hochsensibilität Schüler für Sie hilfreich sein.
8. Nichts fördert die Konzentration mehr als eine starke Eigenmotivation
Die geringe Freude, die mit dem schulischen Lernen oft einhergeht, ist auch darauf zurückzuführen, dass Schüler den Sinn bestimmter Aufgaben nicht einsehen können. Im Prinzip liegen sie damit oft richtig, weil sie vieles, was sie in der Schule lernen, später getrost vergessen können.
Was sollten sie nun tun, wenn sie einerseits den Sinn der Schule infrage stellen und andererseits per Gesetz zum Schulbesuch verpflichtet sind? Meine Antwort lautet: da, wo es möglich ist, selber Sinn finden, und da, wo es nicht möglich ist, sich mit der Sinnlosigkeit abfinden und sich über die kleinen Vorteile freuen, die es mit sich bringt, wenn man gute Schulnoten bekommt.
Zu den stärksten Triebkräften der Motivation zählt neben der Freude an der Arbeit die Belohnung, die man für seinen Aufwand erhält. Die meisten Schüler fühlen sich durch die Schule jedoch eher bestraft als belohnt, womit sie ebenfalls richtig liegen, sofern man nur auf die kurzfristigen Wirkungen schaut. Um so erstaunlicher ist es, dass viele Schüler trotz mangelndem Interesse an dem, was sie dort lernen, gern zur Schule gehen.
Es muss also etwas geben, weshalb sie sich freiwillig in die vermeintliche Hölle begeben. Schüler, die ich darauf angesprochen habe, nannten am häufigsten „Freunde treffen“ sowie einzelne Fächer oder Themen, die sie interessieren. Wenn ich dann nachfrage, ob man dort nicht auch lernt, Dinge zu tun, wozu man keine Lust hat, höre ich oft ein verdutzt klingendes spontanes „Ja!“.
Eine Diskussion über dieses Thema läuft in der Regel auf folgendes Fazit hinaus: Man sollte so viel Freude am Lernen haben wie möglich, und die unvermeidlichen Dinge, die mit Unlust verbunden sind, mit möglichst geringem Aufwand erledigen.
Das hört sich einfach an, scheitert aber gewöhnlich daran, dass man sich nicht einreden kann, Lust auf etwas zu haben, was man im Grunde hasst. Deshalb muss man das Pferd von hinten aufzäumen, indem man möglichst alle Hindernisse aus dem Weg räumt, die die Motivation ausbremsen. Der Hindernisparcours sieht bei jedem Schüler anders aus, doch es gibt Motivationshemmer, die besonders stark und häufig sind.
Wenn Schüler sich für eine Sache interessieren, die Beschäftigung damit ihnen Freude bereitet, dann brauchen sie keine Motivation von außen. Sofern ihnen das schulische Lernen zuwider ist und ihre Eltern versuchen, sie von außen zu motivieren, machen diese irgendwann die bittere Erfahrung, dass man sich nur Ärger einhandelt beim Versuch, ein Pferd zu tränken, dass keinen Durst hat. Es gibt dazu eine Alternative, die ebenfalls anstrengend sein kann, die sich jedoch für Eltern und Schüler gleichermaßen lohnt, weil sie die Konzentration beim Lernen fördert statt behindert.
Vier-Minuten-Clip: Wie Lernen am besten gelingt
Prof. Dr. Gerald Hüther über Begeisterung und Lernfreude bei Kindern
„Tua res agitur.“ Es geht um deine Sache! Dieser Spruch aus den Epistulae des römischen Schriftstellers Horaz beinhaltet den vielleicht stärksten Motivationsimpuls, der je in so prägnanter Form zum Ausdruck gebracht wurde. Wenn ich klar erkennen kann, dass es um meine Sache geht, dann brauche ich keine zusätzliche Belohnung von außen. Dann ist das, was ich tue, die Belohnung selbst.
Unter Punkt 6. a-b habe ich versucht, den springenden Punkt bezüglich der Motivation an einem Waagschalen-Modell zu verdeutlichen. Schüler mit einer besonders schwachen Motivation beim Lernen sind in der Regel exzellente Verdränger. Sie ignorieren die Nachteile, die mit dem Nichterbringen von Anpassungsleistungen verbunden sind, wie zum Beispiel schlechte Noten, Sanktionen usw. Gleichzeitig geringschätzen sie die Vorteile, die ein konzentriertes Lernen mit sich bringt, wie zum Beispiel das Beherrschen von Fremdsprachen, die sowohl bei privaten Aufenthalten im Ausland als auch im Beruf nützlich sein können.
Mithilfe der Methoden zur Selbstbeobachtung, die ich u.a. auf unter den Menüpunkten Lust und Angst sowie Hausaufgaben … Kap. V. und VI. beschrieben habe, können die Schüler die Gewichte in den Waagschalen Lust und Unlust realistischer einschätzen und so in vielen alltäglichen Situationen rund um das Thema Lernen zu einer Neubewertung kommen. Die realistische Einschätzung der Lust-Unlust-Relation unter Einbeziehung der gegenwärtigen und zukünftigen Lusteinheiten fördert das konzentrierte Lernen und ist nach meinen Erfahrungen der wichtigste Einzelfaktor, der darüber entscheidet, wie motiviert ein Schüler nicht nur in der Schule, sondern auch in anderen Lebensbereichen ist.
9. Wie eine gute Lernorganisation das Konzentrieren beim Lernen fördert
Wer die Fehler vermeidet, die der – auf der Seite „Was stört die Konzentration?“ – unter dem Stichwort „Ineffiziente Lernorganisation“ beschriebene Schüler täglich begeht, macht in puncto guter Lernorganisation bereits vieles richtig. Er kann es noch besser machen, wenn er die folgenden Organisationshilfen nutzt:
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- Drei Fächer werden ausgewählt, für die eine Verbesserung der Lernorganisation besonders wichtig wäre und jeweils eine Liste angefertigt mit den wichtigsten aktuellen Aufgaben, die in dem Fach erledigt werden müssen. Beim ersten Mal ist der Aufwand dafür enorm. Aktualisiert man diese Liste später etwa alle vier Wochen, fällt nur noch ein Bruchteil der Arbeit an. Besonders bei jüngeren Schülern sollten die Eltern bei der Erstellung der Liste behilflich sein. Erledigte Aufgaben sollten immer sofort abgehakt werden. Das gilt auch für die nächsten Punkte.
- Bevor mit den Hausaufgaben oder der Vorbereitung auf eine Prüfung begonnen wird, werden die Tagesaufgaben auf einem Blatt vollständig aufgelistet und sortiert nach geschätztem Zeitaufwand. Begonnen wird mit den Aufgaben, die sich am schnellsten erledigen lassen.
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Für eine effiziente Lernorganisation ist ein übersichtlicher Schreibtisch Gold wert. Besonders die Schüler, die leicht empfänglich sind für innere und äußere Ablenkungen, brauchen einen Schreibtisch, der auf die Funktionen reduziert ist, die für das häusliche Lernen benötigt werden.
Im Idealfall sollte sich das Handy oder Smartphone nicht in dem Raum befinden, in dem der Schüler seine Hausaufgaben erledigt oder sich auf Klassenarbeiten vorbereitet. Auch andere verführerische „Lustquellen“ sollten vom Schreibtisch aus nicht binnen weniger Sekunden verfügbar sein.
Falls eine solche Trennung von Arbeitsplatz und Spielplatz aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, kann auch ein kleiner Schreibtisch ausreichen, der an einem möglichst ruhigen Ort irgendwo in der Wohnung platziert ist. Dann spricht nichts dagegen, wenn das Kinderzimmer die reinste Lustburg ist, denn kaum etwas fördert die Konzentration beim Lernen mehr als Lust.
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- Falls die Arbeit mal unterbrochen wird, bleiben alle Materialien griffbereit auf dem Schreibtisch liegen.
- Sollte die Konzentration bei der Arbeit stark nachlassen, ist eine kurze Pause angesagt, in der nichts geschehen sollte, was mental anstrengend ist oder bei dem es schwer ist, wieder aus der Tätigkeit auszusteigen wie etwa bei Videospielen oder Fernsehen. Besonders gut eignen sich entspanntes Liegen oder körperliche Betätigung. Es gilt jedoch: Alles ist gut, was innerhalb kurzer Zeit die Fortsetzung des konzentrierten Lernens fördert.
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- Nachdem das, was auf der Tagesliste stand, abgehakt ist, sollte es keine Diskussionen über die Qualität der Arbeit geben. Solche Gespräche bringen nichts in einer aufgeheizten Atmosphäre, sondern erst dann, wenn sich die Gemüter wieder beruhigt haben.
- In der ersten Phase nach der Umstellung der schulischen Organisation schauen die Eltern – sobald ihr Kind für den Tag Redaktionsschluss verkündet hat – oft mehr auf das, was nicht oder nicht gut genug erledigt wurde. Auf diese Weise können sie die Verbesserung der schulischen Organisation gründlich und dauerhaft verhindern. Es ist wichtig, dass nach Erledigung der täglichen To-do-Liste „die Freizeitglocke klingt“. Danach sollten Schüler und Eltern möglichst keinen Gedanken mehr an das Thema „Schule“ verschwenden.
Fast jeder Schüler hat – oft auf wiederholten Druck der Eltern – schon einmal versucht, sein Lernen besser zu organisieren. Die meisten geben diesen Baustein eines ebenso entspannten wie erfolgreichen Lernens jedoch irgendwann frustriert auf. Als Kinder lieben sie das Spontane und hassen das Planen, insbesondere wenn es mit einem großen Aufwand verbunden ist und nicht so leicht von der Hand geht, wie sie es sich vorgestellt hatten. Deshalb brauchen vor allem jüngere Schüler bei dieser Aufgabe am Anfang die geduldige Unterstützung durch ihre Eltern oder einen Lerncoach.
10. Ein gutes Lernklima fördert die Konzentration beim Lernen
Erster Schritt – Störfaktorenanalyse
Eltern und Schüler listen je für sich die Punkte auf, von denen sie glauben, dass sie das häusliche Lernen negativ beeinflussen. Anschließend bewerten sie die Störfaktoren nach ihrer Stärke auf einer Skala von eins bis zehn, wobei eins eine sehr geringe und zehn eine extrem starke Störung bedeutet.
Oft sind den Schülern die Störfaktoren nicht bewusst, oder sie tun sich schwer damit, ihre Bedeutung einzuschätzen. In diesem Fall empfehle ich eine einfache Übung:
Der Schüler liegt entspannt auf dem Rücken. Er gibt als Suchbegriff in seine innere Suchmaschine ein: „Was stört mich zu Hause beim Lernen?“ Wenn sich spontan keine passenden Suchergebnisse zeigen, sollte er einen der letzten Nachmittage vor seinem geistigen Auge Revue passieren lassen und dazu Stichpunkte geben, welche die Person aufschreibt, die ihn bei der Übung begleitet. Falls die Nerven von Eltern und Kind beim häuslichen Lernen blank liegen, sollte die Begleitperson jemand sein, dem ihr Kind sich bereitwillig anvertraut. Für den Fall, dass beim ersten Durchgang keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt wurden, sollte die Übung an einem anderen Tag in entspannter Atmosphäre wiederholt werden.
Zweiter Schritt – Erstellung einer gemeinsamen Prioritätenliste
Eltern und Schüler erstellen jeweils eine Prioritätenliste, die sich daran orientiert, wie wichtig ihnen die jeweiligen Veränderungen sind und wie leicht bzw. schwer sie sich voraussichtlich umsetzen lassen. Aus den beiden Listen wird dann eine gemacht, indem abwechselnd ein Schüler und ein Elternwunsch eingetragen werden. Auf Platz eins der gemeinsamen Liste kommt der wichtigste Punkt der Schülerliste, auf Platz zwei der wichtigste der Elternliste und danach geht es abwechselnd so weiter. Nun können Sie die Liste dazu verwenden, um die Punkte abzuarbeiten, die sowohl geeignet sind, das Familienklima zu verbessern als auch die Konzentration Ihres Kindes beim Lernen zu fördern.
Dritter Schritt – Was mich beim gemeinsamen Lernen an dir nervt!
Manchmal tauchen bereits bei der Störfaktorenanalyse einzelne Punkte auf, die sich auf die Kommunikation von Eltern und Kind beim gemeinsamen Lernen beziehen. Da dieser Faktor für die Lernlust und Lerneffizienz des Schülers von besonderer Bedeutung ist, sollten sie ihn in einer separaten Übung vertiefen:
Übung zur Verbesserung des Lernklimas zwischen Eltern und Schülern
Sie und Ihr Kind liegen entspannt nebeneinander auf dem Rücken – mit geschlossenen oder nach oben schauenden Augen. Als Thema wird die Frage vorgegeben: „Was mich beim gemeinsamen Lernen an dir nervt!“ Innerhalb von fünf bis zehn Minuten kann jeder spontan sagen, was ihm dazu einfällt. Der andere sollte auf den Beitrag nicht reagieren, auch nicht mit einsilbigen Kommentaren. Beide können sich jedoch auf vorbereiteten Klemmbrettern kurze Notizen machen. Wen das aus dem Fluss bringt, kann die Notizen auch unmittelbar nach der Übung anfertigen.
Bei dieser Übung kann es vorkommen, dass die Emotionen hochkochen und statt sachlicher Informationen Vorwürfe ausgetauscht werden. Bis zu einem gewissen Punkt ist das für eine Klärung durchaus hilfreich. Falls die Situation jedoch für einen der Beteiligten unerträglich wird, sollte die Übung abgebrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden.
Selten läuft diese Übung so harmonisch ab, dass sich vor allem beim Kind keine Widerstände regen. Doch wenn es mit viel Geduld gelingt, das Arbeitsklima beim gemeinsamen häuslichen Lernen nachhaltig zu verbessern, hat sich die Mühe gelohnt. Entsprechendes gilt für das Lernklima im Klassenraum. In abgewandelter Form lassen sich mit der beschriebenen Methode der Innenbetrachtung auch die dortigen Störfaktoren aufstöbern und entschärfen.